30. September 2011

Das ist nicht nett von der FED - FED will social media und Blogs überwachen

"Die US-Zentralbank will Blogs und Soziale Netzwerke überwachen"


schrieb grad eben @Blicklog in G+ .
"Ziel sei es, sich einen Überblick über die „Gefühlslage“ in Hinblick auf neue Maßnahmen zu verschaffen. 

Das Überwachungsprogramm soll eine direkte Einordnung des Schreibers oder Sprechers liefern. 
Autoren / Urheber sollen nach Möglichkeit direkt identifiziert werden."
Blicklogs Quelle:


Ich selber hatte ähnliches im chat "markets live" bei FT Alphaville aufgeschnappt, 
wo wohl auch die Originalquelle - -soweit mir bekannt - , veröffentlicht wurde:

Sorge der FED (genauer der Ableger FRBNY) scheint zu sein, dass Aktionen / Gerüchte /rumours in social media und Blogs Finanzmarktentwicklungen nicht unerheblich beeinflussen könnten; genannt werden z.B. die beiden Finanzblogs 

FT Alphaville und natürlich  Zerohedge.

Vielleicht braucht man eine Art "shitstorm"-Vorwarnsystem o.ä. ?

Verlinkt findet sich dann auch noch die "Ausschreibung" der FRNBY zu diesem Projekt als Scripd:


Sentiment Analysis And Social Media MonitoringSolution RFP - Request for Proposal

Welche weiteren Ziele / Maßnahmen verfolgt werden ist mir aus den vorliegenden Quellen noch nicht ersichtlich. 
Warten wir mal ab, wie lang unsere Kauder-äquivalenten-Analog-Strategen benötigen, um auf dieselbe Idee zu kommen.


Update 1:


hab mir Blicklogs quelle mal genauer angesehen, eine Quelle, die FOXNews-videos verlinkt ist mir sehr suspekt.


dafür Link auf den FT Alphaville chat (Protokoll)


http://ftalphaville.ft.com/blog/2011/09/30/690006/markets-live/



Denn sie wissen nicht, was sie tun

schrieb das HB gestern in einer Überschrift ( ansonsten war dieser Artikel eher mau). 

Ich möchte hinzufügen: 
"Einige wussten schon, was sie tun, besonders Wolfgang Schäuble."
Sie haben's also getan, einen EFSF beschlossen, ohne genau zu wissen, wie dieser funktioniert und was er im Detail beinhaltet.

Das Handelsblatt schrieb gestern nicht ohne Hintergedanken:

Abgeordnete stimmen über eine „Blackbox“ ab (dieser Artikel ist wesentlich "ertragreicher")

Auszug:
Die EFSF-Abstimmung ist für die Abgeordneten ein Votum ins Ungewisse: Hinter den Kulissen wird längst diskutiert, mit welchen Tricks die finanzielle Schlagkraft des Fonds weiter erhöht werden kann - am Parlament vorbei.
Die Euro-Zone will das Volumen ihres Rettungsfonds EFSF mit einem finanztechnischen Trick vervielfachen – doch davon soll der Deutsche Bundestag möglichst wenig merken. Die Pläne für eine sogenannte „Hebelung“ des Fonds könnten womöglich die Kanzlermehrheit bei der heutigen Abstimmung über die EFSF-Reform gefährden, befürchtet Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deshalb forderte sie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hinter den Kulissen auf, keine weitere Unsicherheit zu schüren. Berlin habe Barroso „dringend gebeten“, das heikle Thema in seiner Grundsatzrede zur Lage der EU am Mittwoch im Straßburger Europaparlament nicht zu erwähnen, sagte ein hochrangiger Vertreter der Euro-Zone.

Wer die Debatte gestern live verfolgte, konnte auch sehr gut beobachten, wie unsicher und nervös Schäuble reagierte, als es Nachfragen genau zu diesem Punkt gab.

Das ganze soll also die Richtung nehmen, über die ich als Gerücht:
Wir basteln uns einen richtigen Euro-Rettungsfonds
schon am 25.9.2001 spekulierte:
der EFSF soll "effizienter" (Politikerspeak/Sprachregelung) gestaltet werden, im Deutschen heisst das "gehebelt", "leverage" im Englischen.
Angedacht ist ein Hebel von 5:1, sprich aus 400 Milliarden macht man damit 2 Billionen.
Als ich dies gegenüber meinem geschätzten Bloggerkollegen egghat erwähnte, schmunzelte er nur und twitterte etwas von  "EU-Weicheiern" und "richtige Zocker/Bankster würden unter 10:1 gar nicht anfangen". 
(memo to myself, evtl. mal Zahlen der deutschen Bank verbloggen, damit man ein Gefühl für richtige Zocker bekommt, egghat hat absolut Recht mit "EU-Weicheiern", von DB oder Goldman Sachs lernen heisst siegen lernen - solange das mit den Bailouts klappt...)

Interessanterweise findet man eine noch klarere Analyse dessen, was Schäuble vorhat, nicht in deutschen Mainstream-Medien, sondern man sucht besser auf europäischer Ebene, wo man sehr schnell fündig wird:

Ambrose Evans-Pritchard, ein langjähriger - wenngleich ziemlich euro-skeptischer - Beobachter der europäischen Politik- und Finanzszene schreibt herrlichen Klartext in


Markets appear to be acting on the firm belief that he is lying to lawmakers, that there is indeed a secret plan, that it will be implemented once the inconvenience of the Bundestag’s vote on the EFSF tomorrow is safely out of the way,
and that German democracy is being cynically subverted.
The markets may or may not right about this.
Mr Schäuble has a habit of promising one thing in Brussels and stating another in Berlin.
(Übersetzung gern auf Nachfrage, google translate is your friend...)

Das ins Auge gefasste Konstrukt wird unter eingeweihten Wirtschaftsjournalisten schon 
als SIV / CDO - genaugenommen sogar CDO squared bezeichnet.
Ohne jetzt tiefer einsteigen wollen, kann man es auch einfach ausdrücken:
Man erwägt die selben Instrumente, mit denen man subprime Hypotheken gebündelt und vermarktet hat, nur das man diesmal nicht Hypotheken, sondern Staatsanleihen/Schulden bündelt.
Jeder dürfte wissen, wie gut das beim letzten Mal geklappt hat. Nicht.

Nach(!) der Abstimmung beobachtete dies auch die Süddeutsche - in einem Anfall journalistischer Aufmerksamkeit - absolut treffend:


Auch hier ein Auszug:
Tatsache ist: Zwei Disziplinen hat Schäuble bis zur Perfektion weiterentwickelt, wie die Euro-Debatte dieser Tage eindrucksvoll zeigt:
Rede so geschickt an der Sache vorbei, dass dir sogar gröbste Halbwahrheiten später nicht als Lüge ausgelegt werden können! Und: Diskreditiere die Motive deiner Gegner!
also: Danke an HB und SZ 
( wieso lob ich inzwischen eigentlich dauernd klassische Mainstream-Medien / MSM (?), wird noch zur Gewohnheit,  aber guter Wirtschaftsjournalismus hat es verdient, SPON eher nicht...)

(etwas) Offtopic für Englischsprechende: LOL OF THE DAY

Die geschätzen Blogger-Kollegen bei "Financial Times Blog Alphaville" - üblicherweise FTAV abgekürzt - 
haben einen genialen Wettbewerb mit einem netten Preis ausgeschrieben:


Ein Foto von Merkel und Kollegen während der EFSF-Abstimmung mit ihren Stimmkärtchen in der Hand,
Leser dürfen in den Kommentaren Bildunterschriften vorschlagen, bis jetzt ca. 240 Antworten.

Mein Beitrag: 
"german vote ended - Ackermann new chancellor" ,
weitere Auszüge:
"440 billion down. 2 trillion to come. Hanging out with friends? Priceless"
"Submissions contest for renaming the new Reich province, formerly known as Greece, please, not all at the same time."
"if only Heinrich (Brünning) could see me now"

"Merkel wins

E uropean
F ashion
S how
F estival"


"German MPs celebrate as Mrs Merkel announces her first Bunga Bunga party"

ansonsten hab ich beim Durchlesen der Kommentare definitiv Tränen vor lauter Lachen vergossen und fast eine Zwerchfellzerrung erlitten. Also: Betreten/Lesen auf eigene Gefahr.

29. September 2011

EU-Kommission kommt endlich in die Pötte, aber - too little, too late?

Ich traute ja fast meinen Augen nicht, als ich folgenden Artikel im Handelsblatt lesen durfte:

Die EU-Kommission ( genauer der Binnenmarktkommissar Michel Barnier) legt einen Entwurf zur Regulierung des Bankensektors vor, der sich so liest; als wär er den finstersten (Alp)träumen Oskar Lafontaines oder Sarah Wagenknechts entsprungen.

Er enthält fast(!) alles; was man sich an vernünftigen Ideen zur Regulierung/Abwicklung von Banken vorstellen kann, ein paar Zitate:
"Nie wieder sollen Banken Steuerzahler als Geiseln nehmen: Die EU-Kommission will Aktionäre und Gläubiger von Banken bei Finanzkrisen zur Kasse bitten."
"Aktionäre und Gläubiger müssten „einen angemessenen Anteil der Verluste“ tragen, wenn ein Geldinstitut in Schwierigkeiten gerate, heißt es in einem EU-Richtlinienentwurf zum "Krisenmanagement" der Banken, der dem Handelsblatt vorliegt. Im äußersten Fall kann das bedeuten, dass die Aktionäre enteignet werden.Die nationale Bankenaufsicht der EU-Staaten müsse das Recht bekommen, „Aktien abzuschreiben oder zu löschen“, heißt es in dem Entwurf, den EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier im November vorlegen will. Die Aufsichtsbehörden sollten auch befugt werden, einen Schuldenschnitt  zu Lasten der Gläubiger der jeweiligen Bank vorzunehmen. Der Vorstand einer von Pleite bedrohten Bank soll künftig nicht mehr Herr im eigenen Haus bleiben. Die nationale Bankenaufsicht müsse „das Topmanagement ersetzen“ und das Finanzinstitut grundlegend „restrukturieren“. Dabei könne die Bankenaufsicht neben dem Schuldenschnitt auch Teile der Bilanz in eine Brückenbank verlagern oder Geschäftsbereiche verkaufen. Eine Genehmigung der Aktionäre müsse die Behörde dafür nicht einholen."
WOW, alles Vorschläge die ich so unterschreiben könnte.

Die unschönen Aspekte dabei:
  • das alles wäre m.E. spätestens Ende 2009 fällig gewesen
  • die Umsetzung - wenn überhaupt - wird sehr lange dauern und es wird einiges an Rumgeheule geben ...
Was schade ist: Im Zusammenhang mit dem kommenden Griechenland-Default hätten sich diese Vorschläge schon als nützlich erweisen können 
(ich denke insb. an französische und italienische Banken, in DE gibt's ja nicht mehr soviel  relevante private Banken ausser DB und Commerzbank).

Fast schon witzigerweise tauchen dann diese Ideen in ähnlicher Form auch in der FAZ auf:



Am selben Tag dann noch der nächste Hammer ( Hämmerchen ?), wieder im HB/Handelsblatt:


Barroso (den ich eher für eine ziemliche Niete halte) stellt sich öffentlich hin und redet endlich mal Klartext.
Auch wenn man hier die Wirkung und die Umsetzungschancen eher skeptisch beurteilen mag, 
so liegt doch mal ein lesenswerter Vorschlag auf dem Tisch.
(ich überlege schon wie man London zur Zustimmung "überreden" könnte, *auf irische Banken schiel*evilgrin*)

Auf meiner Wunschliste für die Regulierung des Finanzsektors jetzt noch:
  • Ein paar klare Worte zur Aufsplittung von Banken in Geschäftsbanken(mit Einlagengarantien) und Investmentbanken ( no bailout, sollen sie zocken und verrecken...)
  • Regelung des Derivatemarktes ( CDS, OTC-Geschäfte ), transparente Clearingstellen und Veröffentlichungspflichten
Fast könnte man meinen, im deutschen Wirtschaftsjournalismus bricht der ungehemmte Sozialismus aus, sind das schon die Schirrmacher-Folgewirkungen?

Ein Dank an das Handelsblatt für die aktuelle und die gut lesbare Berichterstattung ( das ich mal sowas schreibe ;-))

25. September 2011

Wir basteln uns einen richtigen Euro-Rettungsfonds

zuerst die Kurzversion:

So, langsam kommt wohl Bewegung in die Sache, der "telegraph" veröffentlicht heut einen spannenden Artikel, wo endlich mal Zahlen und Persperktiven auf den Tisch kommen:
Update: Auch der "Guardian" berichtet inzwischen darüber

EU given six weeks to protect itself against 'inevitable Greek default'


das Ganze recht frisch aus G20-IWF-Quellen
Die wichtigsten Überlegungen in Kürze:
Europaweite Bankrekapitalisierungen, diese können versuchen, sich Kapital auf dem Markt zu beschaffen (viel Spass, meine Meinung) oder sie bekommen Staatsbeihilfen (gekoppelt mit Nationalisierung hab ich kein Problem damit, nur was gibts in DE noch zu verstaatlichen ausser den Rest der Commerzbank und die DB?).

Der EFSF wird als Bank umkonstruiert, kann sich über die EZB (re)-finanzieren und hochhebeln, damit kommt genügend "Firepower" zustande, um ernst genommen zu werden; die Rede ist von 2+ Billionen € ( in meiner Lieblingseinheit ausgedrückt 2 Tera€).
Das nette an diesem Konstrukt: eine erneute Befassung und Zustimmung von nationalen Parlamenten ist nicht mehr notwendig.

Die Deutschen bekommen einen ordentlichen "default" Griechenlands.
Zeitliche Planung: G20 summit in Cannes on November 4 (falls Märkte solang stillhalten....).

Analysen und Kommentare füg ich wohl noch hinzu im Lauf des Tages.


Update 1:

Bei diesem Vorschlag tauchen Parallelen zu Willem Buiters ausführlicher Anaylyse auf, der - sehr ausführlich - begründet, warum er einen unkontrollierten default für unwahrscheinlich hält, Eurobonds aus mehreren Gründen ausschliesst und auch bei einem Bankenkonstrukt - sei es beim EFSF/ESM angesiedelt oder zur europäischen Investitionsbank verlagert - endet:


Bezeichnend ist auch, das man diese (mal wieder) der englischen Presse entnahmen darf, herzlichen Glückwunsch an den deutschen Wirtschaftsjournalismus - sleep well.

Erste Analysen finden sich bei:
Yves Smith:
und
Mish's Global Economic Trend Analysis


Update 2:
auch der Guardian berichtet, hinzugefügt



Update 3:
weitere Quellen bestätigen geplanten Griechenland Default:
interessant, was Schäuble noch öffentlich erzählt und im Hintergrund schon plant:


http://www.zerohedge.com/news/germany-demands-managed-greek-default-and-50-bond-haircuts-exchange-expanding-efsf-peripheral-f
http://www.zerohedge.com/news/lehman-weekend-redux


https://twitter.com/#!/SkyNewsBreak/status/117618605927038979